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Frühlingsgedichte klassischer Autoren

Klassische Gedichte zur Frühlingszeit

Frühblüher Schneeglöckchen und Krokus
Foto: pixabay.com

Ludwig Uhland (1787-1847)
Lob des Frühlings

Saatengrün, Veilchenduft, 
Lerchenwirbel, Amselschlag, 
Sonnenregen, linde Luft!

Wenn ich solche Worte singe, 
braucht es dann noch großer Dinge, 
Dich zu preisen, Frühlingstag? 

Klassische Frühlingsgedichte von A - Z

An einem Frühlingsmorgen
Betty Paoli

An einem mondhellen Abend
Johanne Juliane Schubert

An einen alten Stamm
Ludwig August Frankl-Hochwart

April spricht Geistersprache
Max Dauthendey

Blüten
Bruno Ertler

Der Frühling
Friedrich Hölderlin

Der Frühling
Alfons Petzold

Der Frühlingsmorgen im Freien
Peter Zirbes

Der Herbst, der war mir lieber
Sidonie Grünwald-Zerkowitz

Der Morgen
Karoline Rudolphi

Des Kranken Frühling
Elisabeth Josephson

Die Baumstämme werden ...
Max Dauthendey

Flieder
Karl Kraus

Frühling
Bruno Ertler

Frühling
Cäsar Flaischlen

Frühling
Karl Ernst Knodt

Frühling
Adolf Pichler

Frühling
Hermann Rollett

Frühling
Heinrich Seidel

Frühling(2)
Heinrich Seidel

Frühling der Liebe
Julius Sturm

Frühling im Wald
Christian Wagner

Frühlingsabend
Victor Blüthgen

Frühlingsabschied
Hermann von Lingg

Frühlingsglaube
Ludwig Uhland

Frühlingsgruß
Johann Nepomuk Vogl

Frühlingsleben
Helene Branco

Frühlingsnacht
Maria Janitschek

Frühlingsnacht
John Henry Mackay

Frühlingspaffen
Max Haushofer Jr.

Frühlingstag
Otto Baisch

Frühlingstag
Richard Koppin

Frühlingswünsche
Johann Nepomuk Vogl

Frühlingszauber
Arno Holz

Ich hör ein Vöglein
Adolf Böttger

Ich möchte still am Wege stehn
Cäsar Flaischlen

Im Frühling
Stephan von Millenkovich

In den duftenden Frühling ...
Auguste Kurs

Kein Frühling mehr
Luise Hensel

Lenzesgabe
Robert Hamerling

Lenzeszwang
Robert Hamerling

Lenzgefühl
Johann Nepomuk Vogl

Lenzlied
Richard O. Koppin

Lob des Frühlings
Ludwig Uhland

Milde Tage
Max Haushofer

Morgen im Frühling
Waldemar Bonsels

Nordischer Frühling
Francisca Stoecklin

O Frühling
Else Galen-Gube

Vertraut
Wilhelm Busch

Von allen Zweigen
Ricarda Huch

Waldes Maienahnen
Wilhelm Pillmann

Was der Frühling alles tun muss
Frantisek Halas

Weltlenz
Max Haushofer Jr.

Wiesengang
Richard O. Koppin

 

 

Helene Branco (1816-1894)
Frühlingsleben

Dunkelnde Felder,
Dunkelnde Wälder
Blitzen und leuchten im perlenden Thau.
Gaukelnde Weste
Schaukeln die Äste,
Wiegen sich selig in blühender Au.
Moosige Matten,
Rosige Schatten
Locken den Wandrer zum laubigen Dach.
Fliehende Kähne,
Ziehende Schwäne
Gleiten hinunter den rauschenden Bach.
Flüsternde Quellen,
Lüsterne Wellen
Netzen der Bäume bemoosten Fuß.
Klingende Lieder
Dringen hernieder,
Bringen und singen uns freundlichen Gruß.

Wilhelm Busch (1832-1908)
Vertraut

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
Vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
Ins frühlingsgrüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich
In schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
Und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;
Wer voll Vertraun die Welt besieht,
Den freut es, wenn ein Regenschauer
Mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Stephan von Millenkovich 1836 - 1915
Im Frühling

O Sonne, die Du milde scheinst,
Ergießend Deines Lichtes Flut,
Wofern Du’s liebend ernst nicht meinst,
So halte noch zurück die Glut.

O schmeichle nicht mit Deinem Strahl,
Der allwärts Leben wecken muss,
So mächtig über Berg und Tal,
Betöre nicht mit Deinem Kuss.

Schon reget sich der Erde Kraft,
Die todesmatt geschlummert lang,
Und alles schwillt in frischem Saft
Und alles füllt ein tiefer Drang.

Wofern ein Frost noch kommen soll,
So halte Du bei Zeiten ein,
Und spende nicht so reich, so voll,
Wie süß erquickend auch Dein Schein.

Zu spät! Du kannst nicht mehr zurück -
O sieh, vor Deines Blicks Gewalt
Grünt alles schon im Lenzesglück
Und Knospen springen tausendfalt.

Frantisek Halas (1901-1949)
Was der Frühling alles tun muss

Erst die Sonne höher heben,
dann die Gräser grün anstreichen,
allen, die auf Erden leben,
brüderlich die Hände reichen,

Schlangen häuten, Schatten schwärzen,
Felder kämmen, auch die Wiesen,
sorgen, dass Kastanienkerzen
brennen, Weidenruten schießen,

für die Vögel Noten schreiben
und die Rosenblätter zählen,
mit den Kindern Unfug treiben,
Wäldern neue Farben wählen,

Käfern ihre Panzer putzen,
Zäunen guten Morgen sagen,
Tau als Schmuck für Gras benutzen,
Licht in Mauselöcher tragen,

weil die Bienen gern was hätten,
Honig in die Blüten stecken,
alle Katzenfelle glätten - 
und die Kinder morgens wecken!

Ja der Frühling hat zu tun,
und was machen wir denn nun?

Hermann von Lingg 1820 - 1905
Frühlingsabschied

Wie blitzen im Tau die Blumen,
Wie hell die Sonne scheint!
Es haben Nachts die Sterne
So goldene Tränen geweint.

Was mochte sie betrüben
So tief und insgeheim?
Es zog im Sturm vorüber
Der Frühling wieder heim.

Drum lächeln auch die Rosen
Vor Liebe und Verdruß;
Noch bebt um ihre Lippen
Des Frühlings Abschiedkuß.

Heinrich Seidel (1842-1906)
Frühling

O wie schnell bist du gekommen,
Hast die Welt du hingenommen,
Neuer Klang, und neuer Duft!
Alter, schöner Zeiten Mahnung,
Neuen Glückes holde Ahnung
Schwebt nun in der sanften Luft.

Welch ein Grünen nah und ferne,
Welche Fälle goldner Sterne,
Welch ein Blühn an Busch und Baum.’
Bienensummen in den Düften,
Lerchenklang aus hohen Lüften!
Und ich wandle wie im Traum

Schöne Tage, die entschwunden,
Ach, ihr holden Frühlingsstunden,
O, wie liegt ihr doch so weit!
Seid ihr ewig mir genommen?
Werdet ihr nicht wiederkommen
Nun in dieser goldnen Zeit?!


Frühlingsbild mit roter Tulpe
Bild: pixabay.com

Heinrich Seidel (1842-1906)
Frühling (2)

Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell?
Was blitzt in der Sonne? was schimmert so hell?
Und als ich so fragte, da murmelt' der Bach:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!"

Was knospet, was keimet, was duftet so lind?
Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind?
Und als ich so fragte, da rauscht' es im Hain:
"Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!"

Was klinget, was klaget, was flötet so klar?
Was jauchzet, was jubelt so wunderbar?
Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug:
"Der Frühling, der Frühling!" - Da wußt' ich genug!

Max Dauthendey (1867-1918)
Die Baumstämme werden ...

Die Baumstämme werden wie Menschen jetzt warm,
Sie nehmen den Sonnenschein gern in den Arm.
Der Schnee rund um den Stamm entweicht,
Soweit des Baumes Wurzel reicht.
Die Schneeglocken hocken da rund in Scharen
Begrüßt von den Staren.
Auf graslosem Boden blaß Keim bei Keim,
Beim kahlen Baum duftet's nach Honigseim,
Es duftet nach Liebe, dem Frost entronnen,
Erste Blüte und letzter Schnee sich dort sonnen.

Max Haushofer Jr. (1840 - 1907)
Frühlingspaffen

Viel vom Lenze hört' ich sagen
Und von seiner linden Pracht
Und von wunderlieben Tagen,
Tagen ohne Frost und Nacht;
Dumme kleine Schmetterlinge
Schütteln ab den Wintertraum
Und es wächst in jedem Dinge
Junge Dummheit wie ein Baum.

Ach du trauter Lenz, du holder!
Gärtner in der Erdenau,
Unbezahlter Weltvergolder
Lachst aus jedem Tröpflein Thau!
Wolken, Wälder, graue Haiden,
Grüne Wässer, blaue Höh'n.
Junge Dummheit — alte Leiden —
Gott, was ist die Welt so schön!

Max Dauthendey (1867-1918)
April spricht Geistersprache

April spricht Geistersprache.
Wie ein Vergoldermeister
Sitzt er am Nachbardache,
Spritzt Goldschaum auf Taube und Tauber,
Beklebt die Zimmer lichtsauber,
Belebt die Fenstergardinen,
Den Staub auf alten Tischen,
Vergoldet Falten und Mienen,
Sein Zauber will nie mehr verwischen.
Auf meinen Stühlen sitzt still,
Ich seh' ihn mit blumigen Gliedern,
Ein Geist von Liebesliedern,
Der dreist erlöst sein will.

Robert Hamerling (1830 - 1889)
Lenzesgabe

Mit seinem Füllhorn kam der Lenz gezogen,
Und Lieblichstes ward links und rechts entsendet.
Glanz ward dem See, dem Strome zugewendet,
Und Klang den Vöglein, die da lustig flogen.

Duft ward den Blumen, d'ran die Bienen sogen,
Azur dem Himmel, Grün dem Hain gespendet:
Und alsbald war die Fülle ganz verschwendet
An Vögel, Bäume, Blumen, Lüfte, Wogen.

Doch als der Lenz mich sah mit bleichen Wangen,
Da sprach er, gleich, als ob es ihn gereuet,
Daß leer allein der Dichter ausgegangen:

"Hin gab ich, was die Einzelnen erfreuet,
Doch dir nur schenk' ich dies gesammte Prangen,
Dein Herz versammle, was ich rings zerstreuet!"

Max Haushofer Jr. (1840 - 1907)
Weltlenz

Es fährt ein Strahl im Raume hin, im grauen —
Anbetend liegt vor ihm die Welt in Schweigen;
Und feierlicher geht der Sterne Reigen,
Erstarrte Weltsysteme aufzuthauen.

Die Seraphim verwundert niederschauen,
Wie auf am Himmel neue Bilder steigen,
Wie neue Sonnen sich den alten zeigen
Und freudig lärmen durch des Aethers Auen.

Es dröhnt das All, langlange Zeiten tagen,
Die Sterne dehnen sich in öde Weiten
Und auf der Milchstraß' rauscht ein lichter Wagen:

Darinnen fährt der große Lenz der Zeiten,
Nach dem die Völker aller Sterne fragen,
Wenn sie sich lang zerfleischt im blut'gem Streiten!

Friedrich Hölderlin (1770 - 1843)
Der Frühling

Die Sonne glänzt, es blühen die Gefilde,
Die Tage kommen blütenreich und milde,
Der Abend blüht hinzu, und helle Tage gehen
Vom Himmel abwärts, wo die Tag entstehen.

Das Jahr erscheint mit seinen Zeiten
Wie eine Pracht, wo Feste sich verbreiten,
Der Menschen Tätigkeit beginnt mit neuem Ziele,
So sind die Zeichen in der Welt, der Wunder viele.

Robert Hamerling (1830 - 1889)
Lenzeszwang

Frühling ist – die Blumen und die Lieder,
Und die Liebe kehren neu zurück.
Folg' ich, ach, dem süßen Drange wieder?
Wär' nicht Ruhe mir ein schön'res Glück?

Ach! der Lenzlust und Lenzesplage
Bliebe jetzt das Herz auch lieber fern;
Bliebe wie durch all die Wintertage
Still und einsam auch im Lenze gern.

Aber fragt der Lenz, ob Rose blühen,
Oder Lerche wieder singen will?
Du, mein Herz, mußt liebend wieder glühen,
Folge nur dem süßen Drange still!

Karoline Rudolphi (1754 - 1811)
Der Morgen

Verlaßt mich, ihr des Lebens finstre Sorgen,
Verlaßt mich, o er ist erwacht,
Im Frühlingsglanz erwacht, der lichte Morgen;
Enflohn ist das Gewölk' der Nacht.
 
Dort kömmt er her; von dem bekränzten Hügel
Glänzt schon sein erster goldner Strahl:
Und Leben weht von seinem Purpurflügel,
Und frischer Duft ins Blumenthal.
 
Dort kömmt er her; auf seinem lichten Pfade
Begrüßt ihn ein entzücktes Chor;
Die Heerde blöckt am lachenden Gestade
Ihm ihre lauten Freuden vor.
 
O alles singt dem jungen Tag' entgegen,
Und freut des neuen Lebens sich,
Sein Athem haucht der ganzen Schöpfung Segen;
Sein süßer Hauch belebt auch mich.
 
Ich singe den, der in die ewge Stille
Ein Tröpfchen seines Lebens goß.
Ich preise laut der Seligkeiten Fülle,
Die aus dem Tröpfchen Lebens floß.
 
O du, der für der Schöpfung reinste Wonne
So offen dieses Herz gemacht!
Vernimm den Dank, der mit der Morgensonne
In meiner treuen Brust erwacht.
 
Dir töne, dir das erste meiner Lieder,
Der du so väterlich mich liebst;
Sieh gnädig auf mein kleines Opfer nieder;
Ich opfre gern, was du mir giebst.
 
Du gabst mir nicht, was niedre Wünsche stillet,
Nicht Gold; doch gabst du mir Gesang;
Sieh diese Thräne, die mein Auge füllet,
Sieh, Vater, meinen stillen Dank.
 
Erhalte mir die seligen Gefühle,
Erhalte des Geschenks mich werth;
Bewahre mich, daß diesem Saitenspiele
Nie ein entweihter Ton entfährt.
 
Bewahre mich vor Stolz und jedem Fehle,
Gieb, daß mein Lied der Wahrheit treu,
Und, Vater, gieb, daß meine ganze Seele,
Wie mein Gesang, stets Wohllaut sey.
 
Gieb, daß mein Leben, bis zum letzten Schlage
Des Herzens, unschuldvoll verfließt;
Gieb Muth dem Geist, wenn er am großen Tage
Die Morgensterne näher grüßt.

Max Haushofer Jr. (1840 - 1907)
Milde Tage

Es gibt so manche Tage,
Wo recht mit junger Pracht
Wie eine todte Sage
Vergangnes Glück erwacht;
Da kommt für jede Seele
Ein Frühling wunderbar,
Der weckt mit frohem Drange
Das Herz und das, was lange
In ihm begraben war.

Da rührt die goldne Schwinge
Die Königin Poesie;
Da schau`n uns alle Dinge
Mildlächelnd an, wie nie;
Da rauscht es durch das Leben,
Ein heil`ger Weihgesang;
Da zieht das Glück der Treue
Durch Tage sonder Reue
Dahin mit stolzem Gang.

Verdorrte Blumen ranken
Von neuem auf und blüh`n,
Entlaubte Bäume schwanken
Und werden wieder grün;
Die Seele wird zum Tempel,
D`rin eine Gottheit steht;
Die schenkt nach allen Seiten
Ein Meer von Seligkeiten
Und fordert kein Gebet.

Da kehrt allmählig wieder
Vergang`nes Leben ein
Und bringt die alten Lieder,
Den alten Sonnenschein;
Die alten Gedanken schweben
Einher im goldnen Kleid;
Die alten Götter leben,
`s ist jede Schuld vergeben,
Vergessen jedes Leid!

Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)
Frühling

Das kannst du nicht zwingen:
daß die Knospen springen,
eh´die Sonne ihnen ihren Mai gebracht!
Aber da, was hinter dir liegt,
dich nicht schreckt mehr und unterkriegt:
was Winter in dir abzustreifen
in aller Stille...und Knospen zu reifen
und dich zum Frühling durchzuringen...
Das kannst du zwingen!

Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)
Ich möchte still am Wege stehn

Ich möchte still am Wege stehn
und möcht´es Frühling werden sehn,
ich könnt´noch immer wie ein Kind
bei jeder kleinen Knospe säumen!
Und klänge in den kahlen Bäumen
ein Vogeltriller...ach, ich könnt´,
mir einen langen Sommer träumen
voll Klang und Glanz und Sonnenschein
und glücklich sein!

Ricarda Huch (1864 - 1947)
Von allen Zweigen

Von allen Zweigen perlt der goldne Schaum,
Auf allen Bäumen flammen Blütenbrände,
Unzählbar lacht der Kuckuck durch den Raum.
Frag ich ihn bang nach meines Lebens Ende.

Es blüht und lebt bis an der Erde Saum,
Wird blühn und leben, singt er, ohne Wende,
Als wäre Frühling nicht ein kurzer Traum.
Auch du bist ewig! Spare nicht, verschwende!

Auguste Kurs (1815 - 1892)
In den duftenden Frühling will ich hinaus

In den duftenden Frühling will ich hinaus,
Hinweg aus dem kalten, beengenden Haus
In die freie verlockende Weite.
Was soll mir der Bücher verdrießlicher Kram,
Die ich immer und immer vergeblicher nahm,
Ich werfe sie freudig zur Seite.

Denn find' ich nicht draußen der Blätter genug?
Da schimmert geheimnißvoll jeglicher Zug
Von des Ewigen eigenen Händen -
Das wieget die übrigen Lettern wohl auf,
So will ich denn auch in geflügeltem Lauf
Von dem einen zum andern mich wenden.

Da bin ich nun draußen und blicke umher,
Wie wird das Studieren schon wieder mir schwer
Hier unter den blühenden Bäumen!
Sie senden schon Blüte auf Blüte mir zu,
So will ich hier rasten in seliger Ruh',
Und will nur genießen und träumen.

Johanne Juliane Schubert (1776 - 1864)
An einem mondhellen Abend

Wie freundlich steigt der Mond herauf
Am fernen Himmelsrande;
Du lieber Mond, sey mir gegrüßt
In deinem Lichtgewande;
 
Wie bist du, o Natur! so schön
Am heitern Frühlingsabend;
Du kühler, mondbeglänzter Hain,
Wie still, wie süß und labend!
 
Hier will ich noch, dich Freundliche,
Voll hoher Lust genießen,
Eh' sich mein Auge soll zur Ruh
Und süßem Schlummer schließen.
 
Hier, vom Geräusch der Welt entfernt,
Fühl' ich des Himmels Frieden,
Und lasse jedem gern sein Glück,
Das ihm zum Loos beschieden.
 
Froh preis' ich dich, du guter Gott!
Dich, aller Freuden Quelle;
Durch dich ist mir der dunkle Pfad
Durchs Leben leicht und helle.
 
Nie will ich ohne Dankgefühl,
Allliebender! dich nennen;
Und bis ich Staub bin, soll mein Herz
Zu dir voll Liebe brennen.

Sidonie Grünwald-Zerkowitz (1852 - 1907)
Der Herbst, der war mir lieber

Der Herbst, der war mir lieber
Als dieser Lenz mir ist!
Das Herz ging so uns über,
Daß wir uns wund geküßt!
 
Auf jedem stillen Steige
Blieben wir küssend stehn -
Strich Herbst auch durch die Zweige,
Durchs Herz ging Frühlingswehn! -
 
Wir wanderten umschlungen
Durch Auen im Mondenschein
Und hatten im Herbst gedungen
Den Mai - für uns allein! ....

Maria Janitschek (1859 - 1927)
Frühlingsnacht

Auf den stillen Feldern träumt das Mondlicht
seinen weißen Traum und küßt die Blumen,
bis sie blaß und blässer werden. Silbern
glänzt der Teich im Tann; wie schneeige Schleier,
die versteckte Nixen von sich streifen,
blitzts auf seiner spiegelklaren Fläche.
 
Weiße Rauche dampfen aus den Thalen,
wo der Armut Hütten lichtverklärt sind
und vertraute Grüße lautlos wechseln
mit des kleinen Kirchhofs niedern Kreuzen ..
 
Weißer Friede, weißer weicher Friede ...

Francisca Stoecklin (1894 - 1931)
Nordischer Frühling

Noch liegt
an verschwiegenen Waldesstellen
längst gefallener Schnee,
wie eine glitzernde Decke
über den weißen,
wartenden Glöckchen.
In der Lichtung,
wo die Sonne
ihren Überfluß schenkt,
lächelt und lebt es
von Goldprimeln, tiefblauen Sternen,
und jungem, bebendem Grün.
- Und der Duft des Seidelbastes
berauscht dich
wie ein Becher Liebestrank.

Ludwig Uhland (1787 - 1862)
Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal:
Nun armes Herz, vergiss der Qual!
Nun muss sich alles, alles wenden.

Karl Kraus (1874 - 1936)
Flieder

Nun weiß ich doch, 's ist Frühling wieder.
Ich sah es nicht vor so viel Nacht
und lange hatt' ich's nicht gedacht.
Nun merk' ich erst, schon blüht der Flieder.

Wie fand ich das Geheimnis wieder?
Man hatte mich darum gebracht.
Was hat die Welt aus uns gemacht!
Ich dreh' mich um, da blüht der Flieder.

Und danke Gott, er schuf mich wieder,
indem er wiederschuf die Pracht.
Sie anzuschauen aufgewacht,
so bleib' ich stehn. Noch blüht der Flieder.

Betty Paoli (1814 - 1894)
An einem Frühlingsmorgen

Mir hat die Nacht nicht Schlummer,
Erquickung nicht gebracht!
Allein mit meinem Kummer
Hab' ich sie still durchwacht.
 
Gottlob! nun seh' ich blinken
Des Morgens dämmernd Grau,
Und alle Blumen trinken
Den milden Segensthau.
 
Es wenden meine Blicke
Sich hoffend himmelwärts -
Mit deinem Thau erquicke,
O Herr! auch dieses Herz.
 

Victor Blüthgen(1844 - 1920)
Frühlingsabend

Wenn die Sonne untergeht,
Wird es still im Garten.
Wind, der über Tag geweht,
Denkt: Jetzt will ich warten.

Vogel, der zu Neste ging,
Duckt das Köpfchen nieder:
Fliegt ein dunkler Schmetterling
Heimlich um den Flieder.

Gehn die Kinder all zur Ruh,
Wilden wie die braven,
Guckt der Mond vom Himmel zu,
Spricht: Nun sollt ihr schlafen.

Singt wohl eine Nachtigall
In die Blütenbäume -
Weht ein süßer Widerhall
Durch die Kinderträume.

Luise Hensel (17989 - 1876)
Kein Frühling mehr

Es sitzt in trauter Zelle
Am Fenster ein Mägdlein bleich
Und schaut hinab in die Welle,
Da rollen zwei Perlen helle
Wohl in das Wasser gleich.
 
Sie hört eine Flöte von weitem,
Sie blickt auf Schilf und Rohr;
Da keimen verlorene Freuden,
Da sprossen vergessene Leiden
Ihr frisch im Herzen empor.
 
»Die Welle rinnt und schäumet,
Grün Laub schmückt wieder den Baum.
Ach, Frühling, hast lange gesäumet!
Nur ist mir, als hätt' ich geträumet
Ein'n langen, schweren Traum.
 
»Ich weiß, der Lenz schwebt nieder,
Ich weiß wohl: es ist Mai;
Doch kehren dieselben Lieder,
Dieselben Blumen nicht wieder;
Ist alles anders und neu.«

Arno Holz (1863 - 1929)
Frühlingszauber

Nun muß sich wieder alles wenden,
Ich fühl's an meines Herzens Schlag,
Und schöner wird's an allen Enden
Und lieblicher mit jedem Tag.

Die Liebe schnürt ihr rothes Mieder,
Der Armuth schmeckt ihr trocknes Brod
Und süß klingt's nächtlich aus dem Flieder:
Im Frühling lächelt selbst der Tod!

 

Julius Sturm 1816 - 1896
Frühling der Liebe

Rosen, die die Luft mit Düften würzen,
Halme, die im Wind sich flüsternd neigen,
Quellen, die ins Tal sich rauschend stürzen,
Lerchen, die zum Himmel jubelnd steigen,
Junge Herzen, reich an Liebeswonne,
Über allen hoch die Frühlingssonne:
Tretet ein, geöffnet sind die Pforten,
Und ein Paradies ist aller Orten!

Adolf Böttger (1815 - 1870)
Ich hör ein Vöglein

Ich hör’ ein Vöglein locken,
Das wirbt so süß, das wirbt so laut,
Beim Duft der Blumenglocken
Um die geliebte Braut.

Und aus dem blauen Flieder
Singt ohne Rast und ohne Ruh
Millionen Liebeslieder,
Die holde Braut ihm zu.—

Ich hör’ ein leises Klagen,
So liebesbang, so seelenvoll —
Was mag die Stimme fragen,
Die in dem Wind verscholl?

 

Richard Koppin 1879 -1939
Frühlingstag

Es flog der blaue Frühlingstag
durch Heideland und Hügel,
voll Goldglanzglück die Sonne lag
auf seinem Falterflügel.

Den schlug er, ach, so lenzesleis,
daß, wo er immer schwebte,
die Welt ringsum in weitem Kreis
vor Wonnelust erbebte.

Er flog und flog viel Stunden lang,
trank Duft aus süßem Flieder,
bis er, rauschmüdeselig, sank
der Dämm'rung still ans Mieder.

Wilhelm Pillmann 1803 - 1886(?)
Waldes Maienahnen

Will noch kein Zweig im Waldeshag
Mit frischem Grün mich lenzlich grüßen, -
Welch’ Lenzesgrüßen tausendfach
Auf Schritt und Tritt zu meinen Füßen!

Im Moos, im Busch, im Hagedorn
Rot, blau, weiß, golden seh’ ich’s funkeln
Von Anemonen, Lerchensporn,
Waldveilchen, Primeln und Ranunkeln.

Und über mir im Chore laut
Erklingt’s vom unbelaubten Ästlein:
Waldvögleins Lenzesgruß! Wie baut
Es emsig am bald fert’gen Nestlein.

In allen Gründen welch ein Blühn
Und welch ein Sang in allen Zweigen!
Nun muss das erste Maiengrün
Sich bald an Birk’ und Buche zeigen.

Der Lenz ist da; der Mai kommt bald!
O wunderselig Waldesmahnen,
Wenn dich, du hoher deutscher Wald,
Durchhaucht das erste Maienahnen!

*Quelle: Deutsche Gedichtebibliothek

Karl Ernst Knodt 1856 -1917
Frühling

Frühling...Eine ganze Welt
Träumt in diesem einen Wort.
Wunder ohne Wahl enthält
Dieser brausende Akkord.

Frühling...Hör ich diesen Laut,
Hallts im Herzen mir und blüht;
Ein beglänzter Himmel blaut
Ueber mir und im Gemüt.

Frühling ... Wie ein Glockenton
Klingst du über meinen Pfad,
Singst - woher dem Erdensohn
Einst der ewige Frühling naht.

Otto Baisch 1840 - 1892
Frühlingstag

Die Knospen schwellen an: Uferrain,
Es hüpfen die Quellen, es rauscht im Hain,
Sogar das welke, vertrocknete Reis,
Es treibt noch einmal, es blüht — wer weiß!

Willkommen, willkommen, o Frühlingstag
Mit Sonnenschimmer und Lerchenschlag,
Hoffnungsbeben und Jugendlust,
Willkommen, willkommen auch dieser Brust!

Der Schmetterling entpuppte sich kaum
Zum letzten, lieblichen Frühlingstraum;
Er lässt sich wiegen im linden Hauch
Von Blume zu Blume, von Strauch zu Strauch.

Und wenn im Westen die Sonne sinkt,
Wenn Abendröte das Taub durchblinkt,
Dann legt er sich nieder am Blütenhag: 
Fahr wohl, du fröhlicher Frühlingstag!

John Henry Mackay 1864 - 1933
Frühlingsnacht

Ich träume immer von den hellen Tagen.
Wie kommt es doch? Ist es nicht Nacht? Das Schlagen
Der Nachtigall im Wipfel drüben will
Nicht ruhen. Und ich halte lauschend still.

Ein Heimweh übermannte mich nach dir -
Und eine Sehnsucht nach verlorenen Nächten -
Und ein erinnern, immer wach in mir -
Und Schmerz und Angst – wer kann mit ihnen rechten?

Was fragt nach meinem Antlitz Ihr, dem blassen?
Die Nachtigall will mich nicht schlafen lassen!
Wie süß sie schlägt! Ich kann es nicht ertragen.
Ich will zu dir – um Alles dir zu sagen!

Wann? – Jetzt! – Wohin? – Ach, ich vergesse immer!
Daß längst in Asche sank des Feuers Schimmer -
- Die Nachtigall! Die ganze, lange Nacht
Hab ich mit ihr und sie mit mir durchwacht!

Else Galen-Gube 1869 - 1922
O Frühling

O Frühling, du bist ja an allem schuld,
an all dem Jubel der Lust,
dein Lenzesatem und deine Huld,
die raubten mir Ruhe, Vernunft und Geduld;
ich hatt es ja vorher gewußt …

O Frühling, du bist ein gefährlicher Wicht,
ein toller, ein wüster Gesell;
die Locken so goldig, so glänzend, so licht,
so sonnüberflutet dein Angesicht,
die Augen so leuchtend, so hell.

O Frühling, umfang mich mit all deiner Macht,
mit all deinem Sonnenschein
und trage auf heimlichen Schwingen der Nacht
das Glück und die Liebe und alle Pracht
in meine Kammer herein …

Ludwig August Frankl-Hochwart 1810 - 1894
An einen alten Stamm

Mit deinem blüthenüberschneiten
Und jugendlichen umgrünten Aste,
Gleichst du nicht einem fremden Gaste,
Geputzt mit Schmuck aus frühern Zeiten?

Du greiser Stamm, Lebenserprobter!
Du sahst so vielen Lenz verblassen,
Willst du das Blühen noch nicht lassen,
Noch immer nicht, du Sturmdurchtobter?

Den Göttern will ich freudig danken,
Wenn ich es einst gleich dir erfahre:
Bei weißem Blüthenschmuck der Jahre
Noch frische, grünende Gedanken.

Richard O. Koppin 1879 - 1939
Wiesengang

NUN hast die Stadt mit ihren engen Gassen
du rüstig schreitend hinter dir gelassen
und schaust der Landschaft froh ins Lenzgesicht.
Rings wird es freier, immer wiesenbunter,
Madonnen lächeln lieblich talhinunter,
in deine Seele schmiegt sich ein Gedicht...

Du stehst verträumt — und kannst das Glück kaum fassen. —
Der Abend winkt, und alle Farben blassen,
den Bergwald krönt ein letztes warmes Licht.
Nur hier und da ist noch ein Falter munter, —
dann geht die Sonne weich im Westen unter ...
Am Weg der Wandrer still sein Ave spricht.

Richard O. Koppin 1879 - 1939
Lenzlied

HOCH ausgehängt im Baumgeäst
kindkichern Knospen leise,
schon wagt aus erstem Frühlingsnest
sich liebestolle Weise.

Kastanie schwenkt mit Maimondhand
lichtlohe Feierkerzen,
Frau Wiese stickt ins Festgewand
sich bunte Blütenherzen.

Schelm Wind stülpt sich die Kappe auf,
wirft keck sich in die Weite
und stöbert alle Winkel auf,
als wär' er nicht gescheite.

Christian Wagner 1835 - 1918
Frühling im Wald

Und treten mich an im Haine,
Schön silbrig im Frühlingsscheine,
Windröslein mit mildem Grüßen,
So ist mir immer, als müssen
All meine durch Schuld verlornen,
Nun wieder durchs Lied gebornen,
Süßen, frommen
Glückstage auch wieder kommen.

Waldemar Bonsels 1880 - 1952
Morgen im Frühling

Komm zu mir herein,
Lieber Morgenschein,
Immer wieder. Noch einmal.
Süßer Hauch der Frühe!
Selig ohne Mühe,
Blühen Berg und Tal. -

Glaube, Seele, es gelingt,
Was der Vogel draußen singt.

Elisabeth Josephson 1858 - 1901
Des Kranken Frühling

Frühling, o wie bist du schön
Mit den frischen Matten,
Mit den lichtumkränzten Höh'n
Und der Täler Schatten.

Auf den weiten Auen blinkt
Heller Blütensegen,
Und im Lichtgewande winkt
Mir der Wald entgegen.

Frühling, ach, ich bin gebannt
In den dunklen Mauern,
Will um deinen holden Tand
Doch nicht lange trauern.

Denn ein Lenz ist mir erblüht
Still und klar tief innen,
Der mir nimmermehr verglüht,
Ob die Jahre rinnen.

Meine Augen schließe ich,
Daß an seiner Fülle
Meine tiefste Sehnsucht sich
Unerlöschlich stille.

Und dann schau ich froh und mild,
Frühling, dich vom Zimmer,
Grüße wie ein liebes Bild
Deinen fernen Schimmer.

Alfons Petzold 1882 - 1923
Der Frühling

Man weiß nicht, wie man lebt in diesen Tagen,
Die so voll Duft und neuer Sonne sind.
Man will die allergrößten Worte sagen
Und lallt nur wie ein frohbewegtes Kind.

Die Straße kommt dem Wanderer entgegen
Und alle grauen Meilensteine regen
Sich schlank wie Mädchen an dem grünen Rand
Der Wiesenschale, die im vollen Blühen
Die ganze Kraft der Erde will versprühen
Auf das besonnte Gottesland.

Und alle Bäume sind in sich versunken.
Des Glückes voll; und ganz von Liebe trunken
Durchträumen sie das wundersame Fest
Des Mutterwissens, das im Raum der Rinde
Sich sehnt nach seinem holden Blütenkinde
Im leise schaukelnden Geäst.

Ein Rausch der Schönheit hält den Sinn umfangen,
Wie eine Flamme will das Herz verglühn. -
Man glaubt, dass selbst die Telegraphenstangen,
Vielleicht schon morgen wie die Weiden blühn.

Adolf Pichler 1819 - 1900
Frühling

Zarte, rothe Mandelblüthen
Und das Blatt der Trauerweide
Grüßen dich zuerst im Frühling,
Wie die Freude mit dem Leide.
Bald schlägt auch im Haselbusche,
Auf das Aug' die Anemone
Und die blasse Primel neigt schon
Schüchtern Zu der Etsch die Krone.

Bruno Ertler 1889 - 1927
Blüten

Durch die Blütenzweige
Spielmann Frühling zieht,
hell von seiner Geige
springt ein Reigenlied.

Und ich hab' das Singen
dir ins Herz geküßt:
Drinnen mag es klingen,
wenn es Winter ist.

Bruno Ertler 1889 - 1927
Frühling

Tage kommen frohen Schrittes
liederhell mit lichtem Blick -
leicht in reichen Geberhänden
jede Stunde trägt das Glück.

Tage streuen milden Segen
aus der Blütenbäume Pracht
aus den Sonnensilberfäden
weben sie den Traum der Nacht.

Kind, so gehen alle Wunder
erdenher und himmelwärts
steh' nicht taub und drücke jede
schnelle Stunde an dein Herz!

Hermann Rollett 1819 - 1904
Frühling

Rosenschein und Blütenregen
Lacht von allen grünen Wegen,
Jede Blume, jeder Baum
Schwelgt in süßem Blütentraum.

Und es glüht das goldne Licht
Klar vom blauen Himmel wieder,
Und die Wolken senken nicht
Ihre feuchten Schwingen nieder.

Schwalben können wieder fliegen
Zu den wolkenlosen Räumen,
Und der Geist kann wieder träumen,
An des Himmels Brust zu liegen.

Peter Zirbes 1825 - 1901
Der Frühlingsmorgen im Freien

Auf Purpurflügeln schwebt aus gold'nen Hallen
Der junge Tag hervor,
Und Jubellieder ihm entgegen schallen
Vom frohen Lerchenchor.

In rotem Dufte schwimmen Wald und Wiesen,
Und schlängelnd durch das Tal,
In heller Glut die muntern Bächlein fließen
Im frühen Sonnenstrahl.

Der Blütenbaum beschneit die Silberquelle,
Von kühlem Weh'n durchhaucht;
Von Perlen blitzt das Laub, des Grases Welle,
Ins Morgengold getaucht.

Ja, Alles fühlt des Daseins Lust und Freude:
Die bunte Wiesenflur,
Der grüne Wald, das Blümlein auf der Heide, —
O, Schöpfer der Natur! 

Auch mich durchströmt ein frisches neues Leben,
Und freier schlägt die Brust;
O tausend Dank dem, der es mir gegeben,
Zu fühlen solche Lust! 

Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Frühlingsgruß

Frühling, Frühling, sei willkommen,
Sei willkommen uns aufs neu’,
Nun du wieder heimgekommen
Mit der alten Lieb’ und Treu’.

Schwing’ jetzt deine grünen Fahnen
Freudig wieder durch die Luft,
Dass dich die Getreuen ahnen,
Die noch schlummern in der Gruft.

Sende jetzt nach allen Winden
Deine muntern Sänger aus,
Heiß es Allen jetzt verkünden:
Dass du wieder sei’st zu Haus.

Gib die Botschaft allen Wellen,
Heiß’ es flüstern Strom und Fluss,
Und den Wolken gib, den hellen
An die Ferne deinen Gruß.

Dass sich jedes, dir zum Ruhme
Jetzt erfreu’, in Lust und Scherz,
Nenn’ es Baum sich oder Blume,
Vogel oder Menschenherz.

Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Frühlingswünsche

Mit den rosgen Lämmerwölkchen
Zog’ ich gern’ auf Wander aus,
Mit dem Falter möcht ich hangen
An dem Amaranthenstrauß.
Mit dem Zeisig möchte’ ich flattern
Durch der Zweige Blütenduft,
Mit der Lerche möcht’ ich steigen
Singend in die Morgenluft.
Durch die Gräser möcht’ ich schlüpfen
Lustig mit der Grille klein,
Und im Kelch der Tulpe schlafen
Mit Marienkäferlein.

Johann Nepomuk Vogl 1802 - 1866
Lenzgefühl

Süße Hyazinthendüfte,
Wolkengold und Morgenschein,
Frisches Grün auf Berg und Hügel
Alles, Alles ist ja mein!

Bunter Falter, Gaukelflüge,
Vogelsang so süß und rein,
Quellgeriesel, Blattgeflüster,
Alles, Alles ist ja mein!

Ach nur Flügel, rasche Flügel,
Und in’s offne Land hinein,
Über Berge, Täler, Flüsse,
Alles, Alles ist ja mein!